Typische Fehler in Softwaredokumentationen
…und wie man sie in regulierten Projekten vermeidet
Kontakt aufnehmenWarum passieren diese Fehler so häufig?
Softwaredokumentation ist komplex: Entwickler schreiben aus technischer Sicht, RA/QM aus regulatorischer Sicht und die Technische Redaktion aus Anwendersicht. Wenn Prozesse, Rollen und Strukturen nicht klar definiert sind, entstehen schnell Lücken – besonders im Umfeld von IEC 62304 und MDR.
Die folgende Übersicht zeigt die häufigsten Fehler in Projekten und wie Sie diese frühzeitig vermeiden können. Eine grundlegende Einführung finden Sie in unserer Softwaredokumentation – Was gehört hinein?.
Die häufigsten Fehler in Softwaredokumentationen
Diese Probleme treten in nahezu allen Entwicklungsmodellen auf – egal ob agil, hybrid oder klassisch.
1. Dokumentation beginnt zu spät
Ein häufiger Irrtum: „Wir schreiben die Dokumentation am Ende.“ Spätestens in IEC-62304-Projekten führt das zu massiven Lücken.
Folgen: fehlende Nachweise, keine Traceability, Zeitdruck, Auditabweichungen.
Lösung: Dokumentation als festen Bestandteil jedes Sprints/Meilensteins etablieren.
2. Keine durchgängige Traceability
Die IEC 62304 verlangt: Anforderungen → Design → Implementierung → Tests → Risiken müssen rückverfolgbar sein.
Typische Lücken:
- Anforderungen ohne Testnachweise
- Design ohne Bezug zu Risiken
- Tests ohne Bezug zu Anforderungen
Lösung: Traceability Matrix und klare Verlinkung in jedem Dokument. Siehe auch unsere Checkliste Softwaredokumentation.
3. Unvollständige oder fehlende Softwarearchitektur
Viele Teams dokumentieren nur den Code – nicht jedoch das System dahinter. Für Audits ist eine klare Architektur jedoch unverzichtbar.
Lösung: Architekturdiagramme, Modulübersichten, Schnittstellenbeschreibungen.
4. Inkonsistenzen zwischen Code, Anforderungen und Tests
Anforderungen beschreiben etwas anderes als das Design. Tests prüfen andere Dinge als die Anforderungen. Dokumentation stimmt nicht mit UI oder Risikoakte überein.
Lösung: regelmäßige Reviews zwischen Dev ↔ QA ↔ RA ↔ Redaktion.
5. Fehlende oder unklare Risikobewertung
Besonders Softwareteams unterschätzen die Anforderungen der ISO 14971 für Software.
- Gefährdungen werden nicht erkannt
- Risikokontrollen fehlen oder sind nicht dokumentiert
- Risiken sind nicht mit Tests verknüpft
Lösung: frühe Einbindung der Risikoakte und Integration mit Anforderungen & Tests.
6. Benutzer und Warnhinweise werden nicht berücksichtigt
Usability (IEC 62366-1) ist in der Software ebenso wichtig wie in IFUs. Häufig fehlen:
- kritische Benutzeraufgaben
- UI-Textkonzepte
- Warnhinweise in der Software
Lösung: Usability Engineering früh integrieren. Siehe: Usability-Doku für Software.
7. Änderungen sind nicht nachvollziehbar (Change Management)
Ohne Versionierung und Impact-Analyse erfüllen Softwareupdates nicht die MDR-Anforderungen.
- fehlende Release Notes
- keine Bewertung der Änderungen
- keine Dokumente zur Wartung
Lösung: integriertes Konfigurations- und Änderungsmanagement.
8. Externe Bibliotheken sind schlecht dokumentiert
In Audits wird zunehmend geprüft:
- Welche Libraries werden verwendet?
- Sind Updates sicher & dokumentiert?
- Gibt es Abhängigkeiten, die Risiken verursachen?
Lösung: vollständige Third-Party-Liste mit Versionen, Herkunft und Zweck.
9. Kein abgestimmter Schreibstil oder fehlende Terminologie
Unterschiedliche Teams schreiben unterschiedlich – besonders gefährlich bei sicherheitsrelevanten Inhalten.
Lösung: Terminologiemanagement mit Tools wie flashterm, Styleguides, Glossare.
10. Entwickler schreiben für Entwickler – nicht für Audits
Fachlich korrekt, aber für RA/QM oder Benannte Stellen unverständlich.
Lösung: Technische Redaktion als verbindende Instanz zwischen Dev, QA und Regulatory Affairs.
Wie man diese Fehler nachhaltig vermeidet
- Dokumentation als festen Prozessschritt etablieren
- klare, normbasierte Struktur verwenden – siehe unsere Vorlage
- regelmäßige Reviews zwischen Dev, QA, RA & Redaktion
- Traceability früh aufbauen (nicht erst am Ende)
- Konsistente Terminologie und UI-Texte verwenden
- Änderungsmanagement mit Versionierung und Impact-Analyse
- IEC 62304 vollständig verstehen – siehe Schritt-für-Schritt-Anleitung
Viele Teams profitieren davon, wenn sie eine zentrale Dokumentationsrolle oder einen strukturierten Review-Prozess einführen.